Neye niyet , neye kismet ?
Was
war die Absicht, was hat man gekriegt ?
Erdogan beginnt als Opfer
kemalistischer Willkür seine Karriere. Während seiner Haft
veröffentlicht er eine CD mit Gedichten. Er wurde selbst wegen eine
Gedicht verurteilt worden. Von dieser CD wurden damals in der
Türkei mehr verkauft als von Tarkan. Abgelehnt von seiner eigenen
Partei mit Europa als Hoffnung gründet er eine neue Bewegung.
Die erste Prämisse lautet eine alte Weisheit der Menschen in den
Mittelpunkt aller politischen Handlungen zu setzen: Null
Problempolitik mit allen Nachbarn, transparenter Staatsapparat
und Rechenschaftsmechanismen für Menschen im Staatsapparat aufbauen.
Erdogan bildet zu Beginn mit der Gülen Bewegung und mit den
liberalen Intellektuellen eine Koalition. Durch diese Koalition hat
die Regierung die linksnationalistische Perincek, die CHP, den
Machtapparat im Militär, das Hochgericht und diverse höhere Beamten
vor Gericht gebracht. Parallel zu den Ergenekonverhaftungen werden in
kurdischen Städten tausende KCK-Verhaftungen durchgeführt. Die
eigentliche Differenz zwischen der Gülen Bewegung und Erdogan
liegt damals gerade bei der PKK- Frage. Die Gülen Bewegung mit ihrem
ganzen Justiz- und Sicherheitsapparat hat ihre eigenen Agenda
verfolgt. In dem Moment, in dem offiziell Verhandlungen mit der PKK
begonnen wurden, brach der Gezi-Park Aufstand aus und Erdogan
verdankt der PKK sein Überleben. Nach dem arabischen Frühling
ändert sich die Situation wieder und es beginnt ein Krieg zwischen
Erdogan und der PKK. Sowie alle anderen blutigen Kriege mündet
dieses Blutbad in einem Putsch, der allerdings nicht am 15.
Juli, sondern am 16. Juli stattgefunden hat, da ein Militärputsch
nach seinem Erfolg als Verlust jeder juristischen Transparenz
bezeichnet werden muss. Staatliche Willkür ist an der Tagesordnung,
statt Menschen werden Institutionen geschützt. Wenn der 15. Juli-
Putsch erfolgreich gewesen wäre, wären die Folgen dieselben
gewesen. Ich rede von Ungerechtigkeiten, die immer noch fast
unverschämt weiter gehen. Der Putsch war eine gute Gelegenheit den
Staat, der so mächtig und unkontrollierbar ist, zu zähmen, aber
Erdogan hat diese Chance verpasst. Dafür hat er nur für sich selbst
das passende Modell gefunden: es ist das Erdogan-Präsidialsystem.
Das Parlament hat zwar die Aufgabe Gesetze zu machen,
kontrolliert aber nicht einmal das Budget. Das Parlament darf mit ⅔
Mehrheit den Präsident zu Neuwahlen zwingen, sonst macht alles El
Presidente, der sich einfach nur auf eine schnelle Entscheidung
konzentriert, aber schnell entschieden heißt nicht, dass man richtig
entscheidet und üblicherweise ist jede schnelle Entscheidung
meistens eine falsche Entscheidung. Nach dem 16. Juli-Putsch koaliert
Erdogan mit der MHP, also mit den grauen Wölfen und den linken
Nationalisten. Die aktuelle Gegenkoalition ist nicht besser als die
CHP, als UR-nationalistische Partei, die “IyI” - Gute Partei
(diese Leute finden die MHP, also die existierenden Nationalisten
nicht nationalistisch genug, gründeten eine neue
rechtsnationalistische Partei und sind im Parlament), die HDP und die
Saadet.
Erdogan hat sich mit dem tiefen
Staat nach dem Putsch arrangiert, jetzt ist der Staat im Mittelpunkt
aller politischen Handlungen, überall lauern die Feinde der
Türkei, sowohl die Außenfeinde als auch ihre inneren Verbündeten.
Jetzt hat die Türkei mit allen seinen Nachbarn Probleme, nur nicht
mit Katar und Libyen als überregionale Null-Problem-Partner.
Nach der neuen Umwandlung des Staates bekamen die Beamten wieder mehr
Macht gegenüber den gewählten Vertretern, leider auch im
praktischen Leben. Hohe Jugendarbeitslosigkeit, Freunderlwirtschaft,
Perspektivlosigkeit der gebildeten Schichten, massive
Auswanderung qualitativer Personen, alle Rechte der Kurden, die
gerade von dieser Regierung willkürlich beschnitten wird. Warum
entfernt man kurdische Straßentafeln ? Mit dieser Politik bekämpft
Erdogan nicht die PKK. Außenpolitisch ist Erdogan auch nicht
besser als sein Anfang. Europa ist nicht mehr das Ziel, einer seiner
Nachbarn ist gerade besetzt, der andere Nachbar wird unter Druck
gesetzt, weil der Nachbar auf sein demokratisches Recht eines
Referendums beharrt, Armenien ist kein Thema mehr, Türkei ist wieder
in seine Endlosschleife gerutscht. Die einzige Reaktion gegenüber
der Anerkennung des Französischen Parlaments des armenischen
Völkermordes: Die Franzosen haben in Algerien 1,5 Millionen Menschen
getötet, das war die offizielle Antwort vom Außenminister der
Türkei. Ist diese Antwort gleichzeitig auch eine Selbstanerkennung
oder Verhöhnung der algerischen Opfer?
Wenn die Türkei in Syrien
und im Irak außenpolitisch erfolgreich sein möchte, dann muss sie
mit den Kurden und mit der PKK koalieren und gemeinsam handeln. Jetzt
sind alle seine Hände in Syrien gebunden; zwischen zwei Supermächten
ist die Türkei machtlos. Wenn aber ein Frieden mit der PKK
wieder realistisch wird, dann ändert er alle Handlungen wieder.
Genauso wie im ostmediterranem Meer. Nicht mit Libyen, sondern mit
Griechenland gemeinsam im Ostmittelmeer die Reichtümer fördern, das
wäre die bessere außenpolitische Lösung. Sonst mehr Kooperation
mit Europa wäre wichtig, ich sehe auch eine multipolare Welt besser
als zwei, aber Europa ist immer noch ein Modell mit vielen Fehlern,
das wir verbessern müssen. Ich bin mit der aktuellen Politik von
Erdogan nicht einverstanden, weder innenpolitisch, noch
außenpolitisch. Was wir brauchen sind weniger Verbote, mehr
Freiheit, mehr Wohlstand, Gerechtigkeit, Gesundheit, Bildung
und vor allem FRIEDEN. Ich bin selbst frustriert, zu meinen Lebzeiten
möchte ich den Frieden selbst erleben. Aber gerade hat sich in der
Türkei eine neue Opposition gebildet, zwei neue politische Parteien
werden ausgerufen, ich bin wieder optimistisch. Der ehemalige
Ministerpräsident Davutoglu schreibt in sein politisches Programm
Kurdisch als Unterrichtssprache selbstverständlich und andere
positive progressive Vorstellungen. Ehemalige Finanzminister Babacan
kündigt auch eine neue politische Sprache an. Alleine das zu hören
ist schön. Die beiden Parteien werden in erster Linie Erdogan`s
Wähler in Anspruch nehmen, meine Hoffnung ist 10 Prozent für beide
Parteien, dann ist Erdogan Geschichte.