Endpunkt des
Journalismus
"Die Zeitungen
haben zum Leben annähernd dasselbe Verhältnis, wie die Kartenaufschlägerinnen
zur Metaphysik". Karl Kraus
Ich habe mich immer
gefragt was die Grenze zwischen Journalismus
und PR ist. Besonders im Postmodernen
Zeitalter verschwinden diese
Grenzen noch deutlicher. Die monopolisierte Berichterstattung der klassischen
Medien ist durch das Internet
gebrochen. Jeder kann seinen Bericht
nach seinem Geschmack veröffentlichen. Der letzte Militärputsch in der Türkei ist genau
deswegen gescheitert. Die Generäle waren
alte Briefträger in einem Zeitalter mit Facebook, Twitter und Youtube. Jedes
geheime Junta-Gespräch landete am
nächsten Tag auf Youtube. Für
diese asymmetrische Art des Kriegsführens waren
die alten Putschisten nicht gewachsen. Andererseits zieht diese Art
der Berichterstattung, wo jeder Beliebige zum Journalisten avanciert,
das Niveau herunter. Jetzt kann jeder
Journalist werden, oder PR unter
der Deckmantel Journalismus betreiben.
Die österreichischen Medien leiden sehr darunter. Besonders die gratis
Zeitungen, die in der U-Bahn verteilt
werden.
In diesem prekären
Zeitalter leiden am meisten die Medien.
Die Aufgabe der Medien war immer
ambivalent zu sein. Die erste Zeitung
wurde als Wirtschaftsblatt in
Venezien publiziert. Der Preis war
ein Gazette und so bekam er seinen Namen. Also
etwas das man für eine Gazette
kaufen konnte. Diese Gazette dient immer noch als Vorlage. Die erste
Gazette wurde für die
Kaufleute gedacht. Die reichen Norditalienischen Republiken
hatten im mediterranen Raum
sehr gute wirtschaftliche Beziehungen. Jacob Fugger lernte alle
seine Finanzideen von Venezianer. Als vielbeschäftigte Kaufleute interessierten
sich die Venezianer sehr für Informationen aus aller Welt. Die ersten Berichte waren eher
über die adelige High Society, jedoch in einer besseren Qualität als
Dominik Heinzl. In diesem Zeitalter war diese Berichterstattung bei vielen
regierenden Dynastien und besonders bei
den Herrscherhäusern sehr gefragt. Berichte über Wirtschaft aus aller Welt; die Olivenernte aus Libanon bis hin zum Baumwolle-Preis in Birmingham. Sowas benötigte eine besondere Art des Journalismus. Die
Hersteller jedoch sahen sie nicht als
Journalisten an. Sie wurden als Geschäftsleute angesehen, die Geld mit ihrer
Gazette verdienen. Hier sieht
man einen klassischen Klientelismus. Die Gazette befriedigt
ihre Konsumenten. Wie das klingt würde jeder ehrenhafte Journalist ablehnen.
Der Journalismus, den
wir heroisieren, kommt erst viel später.
Erst muss die Französische Revolution
stattfinden und dann noch eine Vielzahl an Kriegen. Seit dem Dreißigjährigen Krieg bringt
jede Armee sein eigenes Drucker mit. Für
Propagandazwecke wird jede Schrift vor Ort
hergestellt und als Flugblatter an die Menschheit verteilt. Aber
das sehen wir auch nicht als
Journalismus. Das ist pure Propaganda, Göbbels bekanntlich am besten konnte. Die Wiener Zeitung ist die
älteste immer noch existierende Zeitung der Welt. Die
Zeitschrift ist immer noch teil staatlich und
agiert auch als Staatblatt nach
juristischen Sinn. Die Gazette, die wir
im eigentlichen Sinne kennen, zu der
sind wir noch immer nicht angelangt. Es
braucht noch hundert Jahre. Nach der Revolution 1848 entstehen erste Zeitungen, die wir heute im eigentlichen
Sinne einer Zeitung verstehen. Die Presse ( Alte Presse ) wurde in so einer
Atmosphäre gegründet. Metternich war
weg. Biedermeier war vorbei, Adieu
Spießbürgertum. Ein freies liberales Zeitalter hatte
begonnen. Diesem Zeitalter ist es zu verdanken, dass es eine Explosion
an Intellektuellen gab, die wir heute als den Wiener Kreis kennen. Wenn ich die
Zeitungen in Österreich lese, dann
denke ich an Karl Kraus, wie er reagieren würde, wenn er diese Journalisten
gesehen hätte. Wahrscheinlich
würde er lieber Taxi fahren und einen Blog betreiben. Seine
Lebensaufgabe "Die Fackel" war für eine bestimmte Kategorie
von Journalisten gedacht, die in unserem Zeitalter nicht zu finden sind.
Schade dass so viele junge Journalisten gar nichts über ihn wissen. Wenn
er jetzt leben würde, würde sein
letztes Buch "Der Untergang des
Journalismus" heißen.
Als
U-Bahn-Benützer bin ich auch gezwungen
eine Zeitung zu lesen. Ich kann als freier Bürger natürlich selbst entscheiden
welche Zeitung ich lesen möchte.
Ich lese nur, um zu wissen wie der Geisteszustand der Heute Radaktion
ist. Als Informationsquelle sehe ich sie
nicht. Gott sei Dank gibt es
sehr gute andere Quellen um
Information und Wissen zu erwerben.
Eine Zeitung, die am Boden liegt
und hofft irgendwann gelesen zu werden, ist nicht mehr so wichtig
wie damals. Aber eben deswegen
ändert sich die Qualität so sehr drastisch. In den letzten Tagen warf ich auch
einen Blick, um den letzten Zustand zu
begutachten und dann sah ich einen Bericht über Gaza. "Israel unter schwerem
Beschuss", dann sah ich nach der Unterschrift. Schließlich hat jedes
Ressort einen Redakteur, der für die Berichterstattung
zuständig ist. Zurzeit ist ein gewisser Erich Nuler zuständig. Ich habe einige
seiner Texte gelesen und
schließlich auch seine letzten twitts verfolgt. Meine Irritation beginnt ab diesen Moment. Ich
erwarte mir keine journalistische
Leistung wie von Theodor Herzl oder Victor Adler, aber eine gewisse internationale Norm schon. Zum Beispiel: Für jeden Anfänger
als Journalist empfehle ich Euro News, die immer noch eine bestimmte Qualität hat. Erich Nuler jedoch verwendet
seine eigenen Twitts als Titel
für sein Ressort. Deswegen habe ich
mich noch einmal gefragt: Was ist die Grenze zwischen Journalismus und PR? Jeder Mensch hat natürlich eine eigene Meinung. Jeder Mensch ist auch natürlich von Geburt an zoon politikon. Aber jeder Mensch ist auch
in der Lage objektiv zu sein.
Zumindest muss jeder Mensch versuchen
objektiv zu sein, auch wenn die
Objektivität sehr problematisch ist. Ich
wage nicht einmal zu mutmaßen, dass Erich Nuler für eine bestimmte
Organisation bezahlte Texte
schreibt. Ich gehe davon aus Erich Nuler
verhält sich nach österreichischer journalistischer Ethik.
Die U-Bahn Zeitung mit seinem
Finanzierungsystem ist stark an sein Klientel angebunden. Das heißt
entweder die Leser verlangen so eine Berichterstattung, weil ansonsten
fänden sie die Zeitung
langweilig oder die Redakteure schreiben
ihre eigenen Twitts als Titel um Zeit zu sparen. Gott sei Dank
lebt Karl Kraus nicht mehr! Wenn er Erich Nuler
gelesen hätte, würde er sich im
Grab umdrehen. Ich weiß nicht wie hoch
die Bezahlung für Redakteure ist. Ich habe
mich vor einem Jahr
bei der Bezirkszeitung beworben. Als Magister
boten sie mir 20 Cent
pro Zeile. Um das zu
hören musste ich sogar ein Vorstellungsgespräch in Anspruch nehmen. Wenn ich fleißig
schreibe, würde ich mit viel Mühe
einen Monatslohn von 1500 verdienen.
Dafür müsste ich aber für alte Omas spannende Berichte schreiben. Und das
für eine Zeitung, die ich nicht mal eine
Sekunde dulden kann. Wenn die Bezahlung
nicht besser als dieses Angebot
ist, dann verstehe ich warum die Berichterstattung diese Qualität hat. Aber
wenn die Bezahlung besser ist, und sie
trotzdem so eine Berichterstattung
publizieren, dann müssen sie noch einmal
überlegen, ob ihr Geld seinen Zweck auch erfüllt.
Ich bedauere, dass wir
weiterhin diese Art von Journalismus dulden
müssen. Aber es gibt immer Hoffnung auch
für die Heute Zeitung.